Wer ist Täterin und Täter?

 

Die folgende Einteilung hat sich mittlerweile in Forschung und Literatur (siehe Fußnoten) etabliert.

1.) Kernpädophile

Das sexuelle Interesse ist seit der Pubertät überwiegend oder ausschließlich auf Kinder gerichtet. Befriedigung ist nur im Umgang mit Kindern, möglichst im vorpubertären Alter, zu erreichen. Wenn der Drang nach einer sexuellen Beziehung zu Kindern dauerhaft ist und die betroffene Person selbst mindestens 16 Jahre alt ist, spricht man von einer psychischen Störung.
Körperliche Gewalt oder offene Drohungen werden in den seltensten Fällen angewendet. Charakteristisch ist dagegen die subtile psychische Manipulation. Die Täterin oder der Täter schleicht sich zumeist über längere Zeit in das Vertrauen des Kindes ein und stellt eine emotionale Abhängigkeitsbeziehung her, der das Kind sich aus eigener Kraft nicht mehr entziehen kann.
Zum Anteil pädophiler Täter am sexuellen Missbrauch von Kindern: Nach übereinstimmenden Schätzungen geht man davon aus, dass sich bei maximal etwa 25% aller Täter überhaupt eine pädophile Ausrichtung diagnostizieren lässt.

Kernpädophile, die einmal ein Kind missbraucht haben, unterliegen allerdings einer hohen Rückfallgefahr. Prof. Beier (Charité Berlin, siehe Fußnoten) ermittelte eine Rückfälligkeit von 80% für die ausschließlich Pädophilen.

2.) Regressive Täter

Der weitaus größte Teil aller sexuellen Übergriffe an Kindern wird von regressiven Tätern begangen, auch bekannt als „heterosexuelle Ersatzobjekttäter“. Dies sind Männer, die in ihrer Sexualität eigentlich auf Erwachsene ausgerichtet sind, zumeist auf Frauen. Trotzdem sind diese Männer nicht in der Lage, mit anderen Erwachsenen eine zufrieden stellende sexuelle Beziehung einzugehen. Um ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen, greifen diese Täter dann ersatzweise auf Kinder zurück, da diese wesentlich leichter zu erreichen sind; daher auch der Ausdruck „Ersatzobjekttäter“. Viele innerfamiliäre Missbrauchsfälle (z. B. durch Stiefväter oder Verwandte) sind auf diesen Tätertyp zurückzuführen.

Die Rückfallgefahr ist deutlich geringer als beim pädophilen Täter. Prof. Beier ermittelte für den regressiven Täter eine Rückfallquote von 10-30%

3.) Antisoziale Gewalttäter

Wie der regressive Täter ist auch der antisoziale Gewalttäter nicht primär auf Kinder fixiert. Sexualität ist für ihn nur ein Mittel, Macht und Gewalt über andere Menschen auszuüben. Der antisoziale Gewalttäter vergeht sich an Kindern, weil sie die einfachsten Opfer sind. Seine hohe Gewaltbereitschaft ohne Empathievermögen und nur ein unzureichend bis gar nicht ausgeprägtes Gewissen machen ihn so gefährlich. Statistisch spielt dieser Tätertyp eine untergeordnete Rolle.

 

Frauen als Täter

Nach Schätzungen einzelner Wissenschaftlicher sollen Frauen immerhin für 10% aller missbrauchten Mädchen verantwortlich sein. Bei den sexuell missbrauchten Jungen soll es einen Täteranteil von 25% Frauen geben. Die Täterinnen kommen praktisch immer aus dem direkten Umfeld der Kinder: Familienangehörige (z. B. Tanten, Großmütter), Erzieherinnen oder Pflegemütter. Nach Einschätzung von Beier seien diese Fälle nicht auf pädophile Neigungen, sondern auf Ersatzhandlungen zurückzuführen. Es gäbe demnach also kein weibliches Pendant zum männlichen Kernpädophilen, sondern eher zum regressiven Täter.

 

Quellen zum vorstehenden Text, die ausschließlich gekürzt übernommen worden sind:

Groth, A.N., Hobson, W.F. & Gary, T.S. (1982). „The Child Molester: ClinicalnObservations“, Journal of Social Work & Human Sexuality

Schorsch, E. (1985): „Perversion als Straft. Dynamik und Psychotherapie“, Stuttgart 1985

  1. Zonana, G. Abel (1999): „Dangerous sex offenders. A task force report of the American Psychiatric Association“ Washington, DC: American Psychiatric Association

Ahlers Ch. J., Schaefer G. A., Beier K. M. (2005): „Das Spektrum der Sexualstörungen und ihre Klassifizierbarkeit in DSM-IV und ICD-1.“, Sexuologie 12 (3/4)

Beier K. M.: „Dissexualität im Lebenslängsschnitt“, Theoretische und empirische Untersuchungen zur Phänomenologie und Prognose begutachteter Sexualstraftäter. Berlin 1995.

Deegener G. (2005) „Kindesmissbrauch. Erkennen, helfen, vorbeugen.“ 4. Auflage, Weinheim u. Basel 2009

Rossilhol, J.-B. (2002) „Sexuelle Gewalt gegen Jungen, Dunkelfelder“, Marburg 2002